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Standardisierte Patientenübergabe – Effektive Kommunikation!

A. Neumayr
„Kommuniziere sicher und effektiv – sag, was Dich bewegt“
Leitsatz 7 des Crew Ressource Managements (CRM) [1]

Risiko Kommunikation?

Die Patientenübergabe ist das zentrale Bindeglied zwischen prä- und innerklinischer Versorgung. Um reibungslose Informationsflüsse zu gewährleisten, spielt hier die effektive Kommunikation eine zentrale Rolle.
Bestätigt wird dies durch Studien aus den USA, z. B. der Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations (JCAHO), oder aus Australien. Sie zeigen auf, dass insbesondere Kommunikationsprobleme bei der Patientenübergabe nachfolgend zu Behandlungsfehlern bis hin zu Todesfällen führen können [2].

Faktoren, die sich negativ auf die effektive Kommunikation bei Patientenübergabe auswirken Grundlagen einer effektiven Kommunikation
Komplexe Hierarchien
Angst, etwas Falsches zu sagen
Klarheit, Deutlichkeit, Sachlichkeit
Mangelnder Blickkontakt Beschränkung auf zentrale Informationen
Zeitdruck, Ablenkung, Geräuschpegel Aufmerksame Bereitschaft aller Beteiligten
Andere Tätigkeiten oder Maßnahmen am Patienten während der Übergabe Ruhige Atmosphäre, Vermeidung von Konflikten oder Spannungen
Sprachliche Barrieren Beachtung von CRM-Kriterien (Speak up, fokussierte Aufmerksamkeit, verhindere Fixierungsfehler, Teamlead, 10-für-10-Prinzip etc.)
Unzureichende Einarbeitung Interprofessionelle Wertschätzung auf Augenhöhe
Fehlendes Verständnis für Fachbegriffe Geschlossene Feedback-Schleifen: Wiederholung des Gesagten
Fehlende Standardisierung Standardisierte Übergabeschemata

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt deshalb in ihrem Dokument „Action on Patient Safety: High 5s“ die strukturierte Kommunikation während der Patientenübergabe als eine von fünf evidenzbasierten Lösungen zur Optimierung der Patientensicherheit [3].
2020 verabschiedete ein Konsortium aus unterschiedlichsten deutschen Systempartnern der präklinischen Notfallmedizin ein gemeinsam erarbeitetes Konsensuspapier mit 15 Empfehlungen zum strukturierten Übergabeprozess in Zentralen Notaufnahmen [4]. Im Mittelpunkt dieser Empfehlungen stehen die Anwendung von CRM-Kriterien sowie strukturierter Übergabeschemata als Basis jeder Patientenübergabe.

Strukturierte Übergabeschemata

Diese sollen so trainiert und eingeübt werden, dass sie auch in Stresssituationen mental abrufbar sind. Wenn sich alle Beteiligten bei Anmeldung und Übergabe an diesen Standard halten, gewährleistet dieser zudem, dass keine wichtigen Informationen vergessen werden und man sich nicht in Nebensächlichkeiten verliert.

CRM-Kriterien zur guten Patientenübergabe

Im Alltag weiß man, dass Übergaben durch unterschiedliche Störfaktoren (Telefonate, private Gespräche etc.) unterbrochen werden. Um dies zu vermeiden, sollten alle Beteiligten anwesend sein und sich in einem geschützten Raum befinden. Empfohlen wird eine professionell ruhige Atmosphäre und wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe sowie eine direkte Sender-Empfänger-Identifikation („Face-to-face“) ohne administrative, pflegerische oder medizinische Nebentätigkeiten („Hands off“) bei der Übergabe. Im Aufnahmeteam soll eine Person klar die Führung übernehmen (Teamlead).
Dem aufnehmenden Arzt resp. der aufnehmenden Ärztin sollte man zugestehen, sich selbst in Ruhe kurz ein Bild vom Patientenzustand zu machen (three minutes of magic).
Während der Übergabe sollte eine kurze klinische Prüfung (5-seconds-round) den sicheren Patientenzustand gewährleisten. Am Ende der Übergabe soll das aufnehmende Team die Möglichkeit haben, Informationen zu wiederholen und klärende Fragen zu stellen, siehe Tab. 1) [5].

PAR AVISO – Übergabeschema für notärztliche Einsätze

Im Rettungsdienst Tirol wurde das standardisierte Übergabeschema PAR-AVISO für notärztliche Einsätze entwickelt. Es enthält alle Informationen, die man zur Voranmeldung von Notfallpatient:innen über die Leitstelle Tirol und zur Übergabe dieser im Schockraum der Zielkrankenhäuser benötigt, inklusive der wichtigsten CRM-Kriterien [6].

PAR AVISO

ABS-Briefing – Übergabeschema für rettungsdienstliche Einsätze

Für rettungsdienstliche Einsätze ohne Notarztbegleitung wurde im Rettungsdienst Tirol das standardisierte Übergabeschema ABS-Briefing entwickelt. Hier stehen die wichtigsten Punkte zur Aufnahme- und Begleitinformation sowie zur Sozialanamnese im Mittelpunkt [7].

ABS-Briefing

Leider werden auch im Rettungsdienst Tirol diese Übergabeschemata oftmals nicht vollständig angewandt. Die Gründe dafür sind meist die oben genannten negativen Faktoren, welche zu einer ineffektiven Kommunikation beitragen. Es bleibt deshalb in der Selbstverantwortung jedes Einzelnen, die Übergabe zugunsten der Patienten- und Mitarbeitersicherheit und gemäß vorgegebenem Arbeitsauftrag bestmöglich durchzuführen.

Literatur

[1] Rall M, Langewand L (2016)
Für bessere und sicherere Zusammenarbeit: Crew Resource Management (CRM) im Rettungsdienst.
In: Neumayr A, Baubin M, Schinnerl A (Hrsg.) Risikomanagement in der prähospitalen Notfallmedizin. Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 21–36.

[2] Scott LA, Brice JH, Baker CC, Shen P.
An analysis of paramedic verbal reports to physicians in the emergency department trauma room.
PrehospEmergCare, 2003; 7(2): 247–251. DOI: 10.1080/10903120390936888

[3] World Health Organization.
Action of Patients Safety: High 5s.
Im Internet (Stand: 12.02.2020): www.who.int/patientsafety/solutions/high5s/High5_overview.pdf

[4] Gräff I, Pin M, Ehlers P et al.
Empfehlungen zum strukturierten Übergabeprozess in der zentralen Notaufnahme.
Notfall Rettungsmed 25, 10–18 (2022). DOI: 10.1007/s10049-020-00810-8

[5] Rossi R.
Konzepte für eine strukturierte Patientenübergabe.
Notfall Rettungsmed 23, 93–98 (2020). DOI: 10.1007/s10049-019-0599-8

[6] Maurer A, Thaler M, Kremser Y, Golger P, Baubin M, Schinnerl A, Neumayr A (2022)
PAR-AVISO. Die strukturierte Patientenübergabe.
Notfall + Rettungsmed (2022). DOI: 10.1007/s10049-022-01094-w

[7] Neumayr A, Polanezky G, Walder B, Kindermann K, Schwemberger G (2018)
ABS-Briefing: Die standardisierte Patientenübergabe.
LAZARUS Pflegezeitschrift - Care-Letter Nr. 569
https://www.patientenanwalt.com/download/Patientenzentrierte_Projekte/ABS-Briefing_Expertenletter_patientenzentrierte_Projekte.pdf